MESSAOUD ALKAMA

DER TRANSFORMATION

TRAUEN

Ein Gespräch mit Messaoud Alkama

Guten Morgen Messaoud, vielen Dank für deine Einladung. Wir sind sehr gespannt, was du uns heute zeigen wirst.

Guten Morgen! Ich freue mich, dass ihr heute bei uns am Standort Leonberg seid, wo wir autonomes Fahren entwickeln und jeden Morgen sehr, sehr früh aufstehen, um Menschenleben vor Gefahr zu schützen. Wir wollen dazu alles, was sich vor uns bewegt, physikalisch wahrnehmen, analysieren, mit Algos bearbeiten und mit Faktoren füttern, damit wir vorausschauend lenken, bremsen und Gefahr vermeiden können. Mein Name ist Messaoud Alkama. Ich bin freigestellter Betriebsrat in Leonberg. Parallel dazu habe ich die Schwerbehinderten-Vertretung und bin als Mitglied in der Gesamt-Schwerbehinderten-Vertretung der BBM Bosch Business Mobility. Wir wollen heute über die Transformation reden. Dann fange ich mit mir selber an. Auch ich habe mich mit der Zeit transformiert. Ich bin in Algerien geboren, auf einem kleinen Dorf, wo ich meine erste Tätigkeit als Schäfer hatte und Papa auf dem Bauernhof geholfen habe. Dort habe ich gelernt, dass jeder Tag anders ist, und jeder Tag hat andere Anforderungen. Es regnet. Die Sonne ist stark. Nordafrika. Was muss man machen? Also habe ich gelernt, dass man sich auch anpassen sollte, und mich transformiert. Diese Transformation hört nie auf. Ich möchte euch ein Bild zeigen, das hinter mir steht, woher dieser Standort kommt. Und was es heute ist. Hinter uns ist ein Gebäude mit Moto Meter. Das ist die ursprüngliche Firma, die hier saß und produziert hat. Bosch ist als große Firma dafür bekannt, dass sie kleine Firmen akquiriert und sie transformiert, um deren Produkte für die Zukunft zu entwickeln und zu produzieren. Aus diesem kleinen Moto Meter ist ein riesiges Headquarter geworden für Computer-Tätigkeiten im Auto. Das heißt, alles, was im Auto passiert, vom Fahren, vom Bremsen, über das Lenken bis zum Parken, wollen wir in diesem Computer zentral bearbeiten. Und ein autonomes Fahren für den Menschen anbieten. Der Mensch ist unsere zentrale Aufgabe. Wir wollen ihn schützen. Wir wollen ihn richtig integrieren. Und wir werden auch diese Transformation begleiten.

Wie blickst du auf die gegenwärtige Transformation in der Automobilindustrie?

Meine Wahrnehmung zur Transformation ist erstens: Wir müssen darüber reden. Wir müssen Vertrauen dazu finden. Ohne Vertrauen habe ich Sorgen, dass die Transformation an uns vorbei geht. Und viele, viele Menschen, die die Geschwindigkeit nicht haben, auf dem Parkplatz abgestellt werden. Und das ist für Deutschland als Exportland, als führendes Technologieland nicht gut, weil die Menschen, die von Moto Meter zu Bosch gekommen sind, sind heute über 50, und sie haben noch ein paar Jahre zu leisten. Deren Erfahrung wird uns im Betrieb sehr, sehr guttun und wir wollen die dabei behalten. Und das betrifft auch die deutsche Gesellschaft. Was bringt uns die Transformation als Plus? Wir wollen die Vorteile der Transformation verstehen und davon profitieren.

Wie würdest du diesen Prozess der Transformation beschreiben? Gibt es ein festes Ziel, quasi ein Ende der Transformation?

Nach meiner Überzeugung sehe ich für eine Transformation kein Ende. Qualifizieren, auszubilden, das ist der Motor der Transformation. Wir müssen eine aktive Transformation machen, anstatt nur reaktiv zu sein. Was wir als Entwickler vor 20 Jahren gemacht haben, ist heute nicht gültig. Es gibt andere Verfahren, andere Prozesse. Und dabei muss sich der Mensch weiterqualifizieren und entwickeln. Das ist genauso wie hier im Gebäude. Wo früher Moto Meter war, ist heute Bosch – und wir sind sehr groß und bunt geworden. Wir sind von einem kleinen Standort, wo ich früher eingestiegen bin, zu einem Standort mit 3300 Entwicklern geworden. Dieser kleine Standort hier hat über 78 Nationalitäten. Das ist auch eine Transformation, wenn diese sich hier täglich um Aufgaben und Tasks kümmern und gemeinsam harmonieren.

Nochmal zum Begriff des Vertrauens: Geht es dabei auch um die eigenen Fähigkeiten, diese Transformation zu meistern? Wie kann dieses Vertrauen entstehen?

Also Vertrauen hängt direkt davon ab, ob wir als Menschen diesen Prozess der Transformation verstanden haben oder nicht. Es gibt auch negative Transformation. Wenn ich eine Klammer aufmachen darf: Wenn die Transformation heißt, die Beschäftigung außerhalb Deutschlands zu bringen, dann bin ich nicht dabei und ich habe kein Vertrauen an diesen Dingen. Mit Sicherheit sind wir in Deutschland nicht in der Lage, die Flut der Aufgaben alle zu übernehmen. Man freut sich auch, dass wir weltweit aktiv sind. Aber das Auslagern von Beschäftigung außerhalb Deutschlands, das lässt mein Vertrauen ein bisschen schwinden.

Ich komme aus einer anderen Kultur, und hätte man mit mir dort über „Gewerkschaft“ gesprochen, hätte ich mich umgedreht und wäre weggelaufen. Weil dort sind es Gewerkschaften, die den Arbeitgeber zu seinem Profit, Profitabilität und Vorteil begleiten, um sich selber zu bereichern. Was ich hier in diesem Land neu gelernt habe, ist, dass die Gewerkschaften ein Begleiter im Betrieb des Arbeitgebers sind, um gesunde und gemeinsame Lösungen zu erreichen. Die Gerechtigkeit, das Wahrnehmen von jedem, wie er ist, halte ich für wichtig.

Ich sage mal, wer versucht, Transformation zu widerstehen, hat verloren. Also die Transformation geht über uns, ob wir wollen oder nicht, wir müssen sie nur richtig begleiten. Vertrauen, Zutrauen ist wichtig, weil wenn ich meinem eigenen Pferd Vertrauen schenke und es vertraut mir, dann reiten wir gesund von A nach B. Wenn das Pferd mein Vertrauen verliert oder ich seines, dann passiert etwas und ich liege auf irgendeinem Feld.

Die Transformation ist da und die wird weitergehen. Was machen wir? Gucken wir nur, was an uns vorbeigeht? Oder: Wir machen mit! Und wir versuchen, Vertrauen und Zutrauen zu haben. Damit wir auch der Generation, die nach uns kommt, die Möglichkeiten geben, dass sie weitermachen kann.