Wenn es hart auf hart kommt, fällt es vielen Leuten schwer, von anderen nicht gleich das Schlimmste zu denken, sondern ihnen stattdessen zuzuhören. Ganz typisch ist das mittlerweile bei Auseinandersetzungen zwischen Kolleg:innen, die als „Boomer“ gelten, also so um die 60 sind, und Kolleg:innen mit rund 25 Jahren aus der so genannten „Generation Z“. Ruckzuck sind da die Klischees im Kopf und die sind dann der Rahmen, neudeutsch der „Frame“. Die andere Seite wird geframed. Ein typisches Beispiel: Boomern wird vorgeworfen, dass sie sich ihren Lebensstandard auf Kosten der jungen Generation erarbeitet haben, für die die Zukunft nun ungewiss ist. Andersrum wird Angehörigen der Generation Z dann gesagt, dass sie in einem Lebensstandard groß geworden sind, der sie faul und zu risikoscheu gemacht hat, um sich wie die Boomer die Zukunft hart zu erarbeiten. Beides Blödsinn!
In dem Unternehmen, in dem ich arbeite, kommt es gerade hart auf hart. Filialen werden verkauft, Kolleg:innen müssen sich verändern und viele haben viele Sorgen um ihre Zukunft. Auch ich musste mich verändern und bin vor knapp einem Jahr vom Verkauf ins Facility Mangement gewechselt. Da mein Arbeitsgeber bei solchen Übergängen nahezu keinen Wert darauf zu legen scheint, Übergaben und Neubesetzungen im Sinne der Menschen zu regeln, die es betrifft, bedeutete das für mich eine lange Zeit des Übergangs mit einer Doppelbelastung. Ich habe über Monate in beiden Abteilungen gearbeitet. Das habe ich getan, bis ich gemerkt habe, dass etwas nicht mehr stimmte für mich. Da setzte eine Art Mentalitätswandel ein. Zum ersten Mal, seit ich im Autohandel arbeite, habe ich darüber nachgedacht, dass ich nicht für die Arbeit leben will, sondern umgekehrt. Ich habe also über meine „Work-Life-Balance“ nachgedacht. Und die ist ja ein sehr beliebtes Thema für das Framing. Das Erstaunliche: In Gesprächen mit meinen Eltern, die zu den Boomern zählen, und Kolleg:innen im selben Alter bin ich auf viel Verständnis gestoßen und habe Solidarität erlebt. Da hieß es: „Pass auf Dich auf!“ „Achte auf Deine mentale Gesundheit und mach mehr das, was Dir gut tut!“ Und da habe ich auch deutlich gespürt, dass die Älteren mit Burnout genauso viel zu schaffen haben wie schon viele Jüngere.
Neu war dabei, dass ich mehr erzählen konnte, dass es nicht nur schwer ist, wenn man zum alten Eisen gelegt wird, sondern auch, wenn man zum jungen Eisen zählt. Typisches Beispiel: Selbst Kammerbeste kriegen befristete Verträge nach ihrer Ausbildung und bis vor kurzem landeten sie immer erstmal in den schlechtesten Entgeltgruppen, selbst wenn sie den Laden reißen und zu den dringend erforderlichen Fachkräften gehören. Da sind wir als Betriebsrat auf die Barrikaden gegangen. Mit den Entgelteingruppierungen waren wir erfolgreich, bei der Entfristung sind wir dran und führen deutlich engere Gespräche. Anderes Beispiel: Mütter kommen aus der Elternzeit und werden nicht mehr als Fachkraft gesehen, sondern als Kolleg:in, die raus war und nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Da geht es ganz schnell auch um Angebote deutlich schlechterer Stellen und haarsträubende Diskussionen um Teilzeit und Kinderbetreuung. Dass diese Frauen mit ganz wichtigen Erfahrungen zurückkehren, dass die dann ganz viel an sozialer Intelligenz gewonnen haben, das findet bei der Personalplanung kaum Berücksichtigung. Und siehe da: Die „Boomer-Kolleg:innen“ kennen diese Erfahrungen auch aus ihren jungen Jahren. Und beim Reden darüber wird dann auch wechselseitig verständlich, dass die Zukunftssorgen oft sehr berechtigt sind. Denn wie sollen wir unter den Bedingungen mit einem guten Gefühl zum Beispiel eine Zukunft mit Familie planen? „No Future“ haben die Punks in Deutschland an die Wand gesprayt, als meine Eltern so alt waren wie ich jetzt. Und auch damals gab es angesichts des Kalten Krieges vergleichbare Zukunftssorgen wie heute mit Klimawandel und dem Krieg in der Ukraine und anderswo.
Ich wollte das erzählen, weil es mich als Betriebsrätin und Gewerkschaftlerin stört, wenn Kolleg:innen untereinander dicht machen und nicht mehr offen sind. Wenn wir gemeinsam gegen die Pläne unseres Arbeitgebers auf die Straße gehen, ist das weg – da sind da keine Lager und keine Frames. Wir kämpfen dann für eine gemeinsame Sache. Ich glaube es ist heute so simpel wie früher: Bleibt offen und versucht, den Leuten zuzuhören.
