Ein Interview mit der Betriebsrätin Anna-Lena Engemann über Transformation, Männersachen und Frauenrollen
Es gibt ein beharrliches Klischee: Die Automobilindustrie ist Männersache und ihre Transformation daher auch! Wie siehst Du das und wie erlebst Du es in Deiner Arbeit?
So lächerlich das ist, aber es ist immer noch in so manchem Männerkopf genauso verankert. Es hat mir zum Beispiel doch tatsächlich einmal ein Betriebsratsvorsitzender „erklärt“, dass Frauen generell nicht mit schweren Maschinen arbeiten können. Aber ich denke auch, dass sich da gerade etwas verändert. Die jüngeren Männer haben auch andere Selbstbilder, mit denen sich die Älteren so manches Mal schwertun. Noch ein verrücktes Beispiel: In einer Werkstatt hat ein junger Kollege für das Bewegen eines schweren Motorteils eine Hebe-Hilfe benutzt, woraufhin er von einem älteren Kollegen als „Muschi“ bezeichnet wurde. Und dieser Kollege hat bereits mit Bandscheibenvorfällen zu tun gehabt. Da müssen einige Männer noch einiges lernen. Auch sprachlich. Und es bleibt einmal mehr wichtig, dass Frauen Frauen fördern. Ich frage mich immer: Was ist mit Frauen falsch gelaufen, die sich in die Hackordnung der Männer von gestern einordnen? Zur Transformation braucht es Flexibilität, Empathie und Kreativität, für die diese Männer gerade nicht stehen. Ich arbeite im Autohandel, wo es einige Abteilungen gibt, in denen Geschlechterparität besteht. Da geht es anders zu. Und es gibt gleiches Geld für gleiche Arbeit. Bei den Chancen auf Arbeitsplätze mit höherer Entgeltstufe geht es allerdings noch lange nicht gerecht zu.
Da passt nun ein zweites Klischee: Die IG Metall ist eine Männergewerkschaft und die setzt primär Männerinteressen durch. Mit der Wahl von Christiane Benner ist dieses Klischee nun erheblich erschüttert. Tut sich was bei den Frauenrollen in der IG Metall – gibt es da auch so etwas wie Transformation?
Ja, da tut sich eine Menge. Bei unserer Frauenkonferenz haben wir es deutlich gespürt: Christiane trägt das Thema Geschlechtergerechtigkeit in jedes Gremium, jede Sitzung. Und mit Yasmin Fahimi als DGB-Vorsitzender bilden sie zudem auch gewerkschaftsübergreifend ein starkes Gespann. Wir haben aber auch gemerkt: Es ist Zeit für Jetzt-erst-recht-Solidarität! Wir müssen die Themen auch von unten nach oben treiben. Dazu braucht es die lokale Arbeit in der Region. Die IG Metall ist ja wie ein Riesenorganismus, der sich in Vielem sehr sehr langsam verändert. In jeder Region ticken dann noch die Menschen anders, auch wenn Themen wie Entgeltgerechtigkeit oder die dauernde Respektlosigkeit jungen Müttern gegenüber scheinbar in allen Bezirken ein Chance für die Genossen bleibt, Solidarität mit den Genossinnen zu zeigen. Zeit ist! Und Chancen sind da, denn vor allem junge Männer wollen ihre Rolle auch verändern. Dies ist ebenfalls eine Art der Transformation: Immer mehr Männer wollen nicht unbedingt nach oben und sehnen sich dagegen nach mehr Zeit für ihre Familien, für ihr Vatersein! Und: Deutlich mehr Frauen gehören nach oben und wollen es – auch als Mütter!
Stichwort Equal Pay Day: Wie sieht es Deiner Meinung nach aus mit Verteilungs- und Chancengerechtigkeit?

Als Antwort habe ich eine Grafik aus der typischen betrieblichen Realität mitgebracht. Da lässt sich sehen, wie es bis heute noch läuft: Die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen wird sich auf die Fahnen geschrieben, während Frauen die Chancen auf bessere Entgeltgruppen verstellt werden. Denn Frauen können schwanger werden. Und dann werden sie Mütter. Und dann scheinen sie vor allem für Kollegen keine gefragten Fachfrauen mehr zu sein. Das regt mich auf. Da kommen Kolleginnen mit 15 Jahren Berufserfahrung nach drei Jahren zurück, in denen sie Kinder gepflegt und erzogen, sich oft noch um andere Familienangehörigen gekümmert haben, und keiner interessiert sich für diese tolle Leistung. Es geht nur darum, dass sie ja soviel an Veränderung „verpasst haben“. Dabei steckt in Kindererziehung oder Pflege so viel soziale Intelligenz in Form von Zeitmanagement, Mental-Load und Organisationsfähigkeiten, die vor allen in Führungspositionen (mit höheren Entgeltgruppen) wichtig ist. Mit Männern gibt es heute meist nur dann Probleme mit der Personalplanung, wenn sie „Frauenprobleme“ haben. Bei einem alleinerziehenden Kollegen mussten wir erst wüst drohen als Betriebsrat, bis er jeden Tag eine halbe Stunde früher gehen konnte, um seine Kinder aus der Kita abzuholen. Da reden wir von 2,5 Arbeitsstunden die Woche! Das ist die alte Haltung: Wer Teilzeit will, soll dann halt „minderwertige Tätigkeiten“ für weniger Geld machen. Das ist noch viel zu oft so. Das muss sich ändern. Jetzt erst recht!