ANNA-LENA ENGEMANN & NORBERT DÜRMEIER

NEXT LEVEL

ELEKTRO

Über die Vorteile der Elektromobilität ist viel gesagt worden und auch darüber, wie zeitgemäß und wichtig es ist, die Antriebsstränge von Fahrzeugen darauf umzurüsten. Auch über die Notwendigkeit der Transformation der Automobilindustrie in diese Richtung wird viel geredet. Da geht es dann um Schlagworte wie Umstrukturierung, Innovation, Qualifikation. Was viele, die sich an diesen Diskussionen beteiligen, oft außer Acht lassen: Hinter jedem Teil, das zu einem Motor oder Getriebe gehört, steht Arbeit, die von Menschen verrichtet wird, deren Arbeitsbiografie damit verbunden ist. Auch die Montage bedeutet: Da arbeiten ausgebildete Menschen, in der Regel über viele Jahre, mit vertrauten Werkzeugen und Maschinen, Tag für Tag. Viele tun das mit einer Begeisterung für Technik und Automobilität. Wenn wir nun vom „Next Level Elektro“ sprechen, sprechen wir also auch davon, dass wir alle, die wir in der Automobilindustrie arbeiten, uns beruflich verändern müssen, um auf einen nächsten Level unserer Arbeit zu gelangen. Das wollen wir in unserem Beitrag an Motor und Getriebe ganz konkret deutlich machen und dabei nicht sparen an unserer Begeisterung für die Vorteile der Elektromobilität durch einen neuen Typus von Antrieb, der zum Beispiel ohne Flüssigkeiten auskommt.

Auch Laien können auf den ersten Blick sehen, dass der klassische Verbrennungsmotor und der Elektromotor sowie deren Getriebe sich radikal unterscheiden. Liegen die Einzelteile nebeneinander, wird das überdeutlich:

Eine Technik mit vielen Vorteilen

Elektrische Antriebsstränge sind wartungsärmer und weniger störanfällig. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern macht die Motoren und Getriebe auch zuverlässiger. Dass für den Betrieb keine Flüssigkeiten mehr eingesetzt werden, vereinfacht zudem vieles bei Wartung und Reparatur. Da Elektromotoren geräusch- und vibrationsärmer sind, steigt nicht nur der Komfort. Neben der Reduktion klimaschädlicher Emissionen ist auch die Lärmbelastung der Umwelt eklatant geringer. Da der Motor viel kompakter und kleiner ist, sind größere Stauräume in Fahrzeugen ebenso möglich wie eine deutliche Verkleinerung der Karosserie. Durch die direkte Drehmomentübertragung entsteht kein Leistungsverlust. Auch längere Laufzeiten und damit längere Fahrten sind mittlerweile möglich.

Eine Umstellung der Arbeit mit vielen Nachteilen

Auch wenn die Frage der Batterien (vor allem, wenn es um Lithium geht) noch ein Streitpunkt bleibt, liegen ökologisch und ökonomisch, aber auch von Seiten des Komforts für die Faher:innen heute die Vorteile der Elektromobilität auf der Hand. Diesen Vorteilen stehen unter dem Aspekt der Arbeit und der Menschen, die sie tagtäglich in der Automobilindustrie leisten, Nachteile gegenüber, auch wenn die in der Regel dann Herausforderungen heißen. Schon allein die Zahl der Einzelteile lässt ahnen: Zuliefer- und Autoindustrie brauchen für die Fertigung und Montage der Elektro-Antriebstränge weniger Arbeiter:innen. Auch die geringere Fertigungstiefen und der geringere Wartungsaufwand führen zum Abbau von Arbeitsplätzen. Die neuen Produktionsverfahren fordern eine komplexe und kostenintensive Umstellung. Andere Qualifikationen sind gefordert. Das fordert eine kostenintensive Umstellung, aber vor allem stellt es hohe Anforderungen an viele Menschen, die zum Teil über Jahrzehnte Verbrenner gebaut, gewartet und repariert haben. Die Arbeitsbelastung verändert sich – physisch und psychisch.

Im Überblick stehen sich folgende Vor- und Nachteile gegenüber:

Next Level Elektro: Arbeit gemeinsam neu denken

Kommt die Umstellung auf eine Produktion von reinelektrischen Fahrzeugen, müssen Zulieferer wie Autobauer Arbeit neu denken und das müssen sie durch die Vorgaben der Politik immer schneller tun. Aus Arbeitgebersicht erfordert das erhebliche Investitionen: Maschinen müssen umgerüstet sowie Personal umgeschult und qualifiziert werden. Die Zulieferer der Motorenproduktion müssen sich umstellen und ihre Produktpalette erweitern – auch das erfordert Investitionen. Das KFZ-Handwerk muss sich umstellen. Es wird flüssigkeitsfreie Werkstätten (kein Motoröl, Benzin und keinen Diesel) mehr geben, hochmodern und angepasst auf die aktuellen Gegebenheiten. Auch für den Handel ändert sich viel: Die Kolleginnen und Kollegen in den Servicestandorten sind die Gesichter der jeweiligen Marke. Hier entstehen Kundenbindung und Markentreue. Entsprechend müssen die Autohäuser ebenfalls modernisiert und fit für die Elektromobilität gemacht werden.

Aus Sicht der Arbeitnehmer:innen wächst die Sorge: Falls die Umstellungen und Umschulungen nicht frühzeitig stattfinden, bleibt den Unternehmen nur noch die Schließung. Dann werden die Angestellten auf die Straße gesetzt. Das kann von der Politik nicht gewollt sein. Solange aber die Politik und die Arbeitgeber nicht endlich ganz konkret darüber sprechen, welcher Arbeitsplatz wegfällt, welcher bleibt und welcher sich verändert bei der Umstellung auf Elektro-Antriebsstränge, wächst die Sorge. Verantwortlich sind auf jeden Fall die Unternehmen sowie deren Führung. Aber auch die Politik kann hier unterstützend eingreifen, indem Investitionen in Modernisierungen, die Arbeitsplätze erhalten und schaffen, honoriert werden.

Als Betriebsrät:innen haben auch wir natürlich ein Interesse daran, dass Unternehmen die Transformation der Automobilindustrie erfolgreich meistern. Doch es ist dabei unsere Aufgabe, dabei hinter jedem einzelnen Teil eines Antriebsstrangs in einem Auto die Menschen zu sehen, durch deren Arbeit der Next Level Elektro überhaupt möglich ist.