ANDREAS SALZGEBER

SUPERVISION

HILFT, NICHT DEN BODEN UNTER DEN FÜSSEN ZU VERLIEREN

Die Betriebsratsarbeit und die Rahmenbedingungen dazu, haben sich in den letzten 30 Jahren grundlegend verändert. Die Themen in den Betrieben sind inzwischen sehr politisch und durch die Veränderungen in der medialen Welt viel öffentlichkeitswirksamer in der Außendarstellung geworden. Beispiele sind Standortschließungen, Produktverlagerungen, Verkaufsthemen. Der Erhalt der Arbeitsplätze und der Standorte in der Republik ist das zentrale Thema.

Der Betriebsrat muss nicht mehr NUR seine Mitbestimmung ausüben, sondern aktiv an der Gestaltung dieser Rahmenbedingungen und grundlegenden Voraussetzungen mitarbeiten. Dies wird oft auch als Co-Management bezeichnet und trifft den Nagel in den meisten Fällen genau auf den Kopf.

Durch die Möglichkeit, zum Beispiel mit Ergänzungstarifverträgen, für bessere Standortbedingungen für die Arbeitgeber zu sorgen, wurde viel Verantwortung des Managements auf die Schultern der Gewerkschaften und der betrieblichen Interessenvertretungen übertragen und der Druck enorm erhöht.

Entscheidungen, die gemeinsam getroffen werden, machen sich nicht selten direkt im Geldbeutel der Beschäftigten bemerkbar. Der Kontakt und Austausch mit den Beschäftigten im Betrieb wurde also spürbar härter und die Diskussionen werden emotionaler.

Natürlich ist die Beschäftigungssicherung viel wert, aber trotzdem nicht zu jedem Preis vermittelbar.

Man muss in die Diskussion mit den Beschäftigten eintreten, um deren Zustimmung zu erzielen. Dazu gibt es oft viele lange Nächte ohne Schlaf, bis man sich im Klaren darüber ist, was man mit noch gutem Gewissen vereinbaren kann und was eben nicht.

So mancher Kollege und so manche Kollegin im Betriebsrat ist an diesem Prozess schon zerbrochen und kaputt gegangen bzw. hat dann, bevor dies passiert, einfach den Bettel hingeschmissen.

Ich kenne auch einige Betriebsratsvorsitzende, die das den Kopf gekostet hat. Wenn die Rückendeckung im Gremium kleiner wird und der Zuspruch der Belegschaft fehlt, ist der Zustand irgendwann nicht mehr zu ertragen und die Notbremse muss gezogen werden.

Die Amtszeiten von Betriebsrätinnen und Betriebsräten sind in den letzten Jahren kürzer geworden. Viele sind nach einer Wahlperiode schon dermaßen ausgebrannt, dass sie sich gegen eine weitere Amtszeit und lieber für normales Arbeiten entscheiden. Einige mussten sogar die Firma wechseln, da sie nicht mehr im gleichen Betrieb arbeiten können.

Bevor es zu solchen Situationen kommt, hilft eine Supervision enorm. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft leidgeprüften Kolleginnen und Kollegen, Wege aus dem Loch zu finden und gemeinsame Ziele erarbeiten. Es geht darum, den Umgang mit der nächsten schwierigen Situation zu erlernen, und gewappnet zu sein für die Herausforderungen der Zukunft, die am nächsten Tag unerwartet vor der Türe stehen können. Siehe Corona, siehe Verkauf, siehe Cyberangriff usw. keiner weiß doch wirklich was als nächstes kommt.

Es ist heute leider nicht mehr möglich, den Leuten nur die guten Dinge zu berichten, sondern man muss auch in der Lage sein, klare Kante zu unpopulären, kritischen Themen zu ziehen. Das fällt nicht leicht und fordert einen als Betriebsrat heraus, mit Kolleginnen und Kollegen Konflikte auszutragen, Missverständnisse zu klären und Enttäuschungen auszuhalten – mit all den Gefühlen, die dazu gehören, auf beiden Seiten. Vor wenigen Jahren noch hätte man sich geschämt, darüber zu sprechen oder man konnte es sich überhaupt nicht vorstellen. Heute ist das sozusagen nicht nur erlaubt, es ist auch dringend notwendig. Aber man muss sich tatsächlich diese Eigenschaften auch hart erarbeiten.

Die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit, die ergibt sich aus der zunehmenden Belastung und den dauerhaften Beschuss durch eine Vielzahl von diversen Themen.

Heute muss man auch selbst in die Kerbe schlagen und manchmal übers Ziel hinausschießen.

Was hilft: Selbst mal was fordern, was einem eigentlich nicht zusteht, oder Dinge im Tausch regeln. So lässt sich manchmal was erreichen, was nicht selbstverständlich ist. Es geht sozusagen um ein Geben und Nehmen. Das ist die große Politik, die heute auf Ebene der Geschäftsführungen und Betriebsräte in den Konzernen und Betrieben gelebt wird. Da muss man entweder mitmachen oder untergehen.

Supervision bedeutet auch, sich selbst zu reflektieren und sich einen Spiegel vorzuhalten: Ist das okay, bin das eigentlich noch ich, will ich das wirklich auch weiterhin so tun? Kann ich das verantworten mir selbst gegenüber und auch gegenüber den Beschäftigten?

Supervision hilft, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren, und macht es auch danach wieder möglich, vernünftige Entscheidungen für die Kolleginnen und Kollegen und für das Unternehmen zu treffen!