Ein drittes Gespräch mit dem Betriebsrat Markus Gluch
Trotz großem Schaulaufen mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt die zweite Betriebsversammlung am 10.12. bei Ford Köln vor allem wie festgefahren der Konflikt um die Abbaupläne des Managements ist. Der Geschäftsführer der Ford-Werke, Marcus Wassenberg, liest dem Kanzler die Leviten und fordert wie Gesamtbetriebsrat Benjamin Gruschka schnelle Taten zu dem allfälligen Bekenntnis der Regierung zur Elektromobilität, auf die sich Ford verpflichtet hat. Lade-Infrastruktur und Kaufprämien brauchts – so das Credo beider. „Schuldenbremse Zukunftsbremse“ bei der Schicksalsfrage Auto – so klingen die überraschungsfreien Begrüßungsworte für den Kanzler. Der wiederum spielt den Ball in seiner Erwiderung gekonnt in die EU, aber verbreitet mit seiner Anteilnahme erstaunlicherweise eine gewisse Zuversicht trotz so mancher Merkel-haften Phrase („Insofern geht es jetzt nicht um eine Rolle rückwärts, sondern darum, dass wir den Sprung nach vorn weiter vorantreiben.“). Im nicht-öffentlichen Teil der Betriebsversammlung wiederum verweigert der Manager Wassenberg als Arbeitsdirektor sozusagen die Arbeit: Statt des von Betriebsrat und IG Metall eingeforderten Zukunftskonzepts gibt es das bekannte abstrakte Bekenntnis zum Standort „im weltweiten Überlebenskampf der Automobilbranche“ und vor Weihnachten dann noch einmal einen Schub Zukunftsangst: Man will alles daransetzen, dass bei der Produktion von Explorer und Capri – den beiden E-Modellen, die Ford hier baut – die zweite Schicht erhalten werden kann und zu den 2.900 abzubauenden Arbeitsplätzen nicht noch weitere 1.300 dazu kommen. Der Betriebsrat reagiert darauf, indem er Werkstatt für Werkstatt, Halle für Halle die Bereiche, Services und Kompetenzen und damit die 2.900 Arbeitsplätze verteidigt, weil es sie für einen nachhaltigen, zukunftssicheren Erhalt der PKW-Produktion in Köln braucht. Also wieder „Ruhe im Sturm“ zur Weihnachtszeit? Wir sprechen ein drittes Mal mit dem erfahrenen Betriebsrat Markus Gluch darüber.
Lieber Markus, was haben wir da gerade knapp drei Stunden erlebt – eine Wahlkampfveranstaltung, die eine konstruktive Auseinandersetzung zwischen Arbeitsdirektion und Belegschaft ersetzt – sozusagen ein munterer Kanzlerkandidat Scholz als Trostpflaster in einem festgefahrenen Streit?
In erster Linie habe ich den Einstieg mit Prominenz – und ich denke viele der 8.000 Kolleg:innen in den beiden Hallen auch – als Solidaritätsdemonstration von Kanzler Olaf Scholz erlebt. Für den öffentlichen Teil unserer Betriebsversammlung war das ein ganz wichtiges Signal. Und dass Olaf Scholz an einer Lösung für die Förderung von Elektromobilität und ihrer Durchsetzung im Markt auf EU-Ebene arbeitet, kauf ich ihm auch kurz vor seiner Vertrauensfrage im Bundestag ab. Die Franzosen machen uns das gerade vor: Da erhalten die Leute die Prämie nach Einkommen. Bei der Ladeinfrastruktur kam Erwartbares, auch die Pläne zur steuerlichen Begünstigung von E-Dienstwagen waren keine Sensation, aber sein Argument, dass eine generelle Kaufprämie für E-Autos deutsche Steuergelder auch für den Kauf chinesischer PKW einsetzen würde, die bereits massiv von der chinesischen Regierung subventioniert werden – das kam schon an. Es braucht eine Lösung auf EU-Ebene – entweder Deutschland kann Unternehmen wie Ford bei der E-Mobilität direkt unterstützen, oder es gibt eine EU-einheitliche Prämie, die den Weltmarkt im Blick behält. Da ist was dran. Aber sicher hatte das auch etwas von einem Trostpflaster vor Weihnachten, denn so bald wird da wohl nichts passieren.
Auf einem Transparent stand „Olaf, ohne Wahl wär’n wir Dir egal“. Hat das gepasst?
Das war eine sehr gelungene Provokation, die sicher dazu beigetragen hat, dass sich da auf der Bühne nicht nur ein abgeklärter Kanzler und berechnender Kanzlerkandidat inszeniert hat. Olaf Scholz hat sich auch als Sozialdemokrat gezeigt, der vor 1998 als Anwalt für Arbeitsrecht um die Arbeitsplätze von Kolleg:innen gekämpft hat. Dass er Arbeitsplatzabbau als die ewig gestrige Lösung von Arbeitgeberseite benannt hat – das war von einem amtierenden Kanzler schon eine starke Aussage, auch wenn es sicher in sein Wahlkampfkonzept mit seiner derzeitigen Kaskade von Firmenauftritten passt.
Als dann Bundes-Prominenz und Presse die Halle verlassen hatten, gab es ein Dejá vu: Manager Wassenberg erzählt von den großen Schwierigkeiten von Ford, „den Shift zur E-Mobilität“ hinzukriegen und der Notwendigkeit, jetzt „Strukturen“ zu verändern am Standort, den er nicht schließen will, und so weiter. Das klang in der Betriebsversammlung am 27. November genauso. Nun wusste Marcus Wassenberg ja, dass der Betriebsrat die Pläne in Gänze zurückgewiesen hat am 27. War das eine Art Arbeitsverweigerung als Arbeitsdirektor?
So kann man das nennen. Als Manager und Sanierer hat er in der Sprache der PR über Vertrieb und Marketing, Infrastruktur, Modellpolitik, Einsparungen und Profitabilität gesprochen. Aber wie das dann durch die Arbeit von uns als Belegschaft zu einer zukunftsfähigen PKW-Strategie werden soll – dazu wieder kein Wort. Marcus Wassenberg machte den Eindruck, dass er weder mit den Kolleg:innen Auge in Auge sprechen will, noch dass er es für seine Aufgabe hält. Das kommt vor Weihnachten einer Verweigerung von Sozialpartnerschaft gleich, während er sich zu ihr bekennt. Und dazu kommt die Verunsicherung, ob die Absatzprobleme 2025 noch zu zusätzlichem Arbeitsplatzabbau führen werden. Das gleicht der Kommunikation im Sommer: Die Kolleg:innen werden in Angst versetzt und danach wird erstmal geschwiegen. Daran werden die in Aussicht gestellten „Konsultationen“ des Betriebsrates vor Weihnachten wenig ändern.
Was soll man sich unter Konsultationen vorstellen – wird da dann schon verhandelt?
Ganz sicher werden wir da nicht verhandeln. Wir lassen uns informieren, auch wenn wir nach heute wenig erwarten. Alles sieht nach einer harten Auseinandersetzung aus. Bis dahin weisen wir jede Forderung nach Mehrarbeit zurück. Denn das ist eine menschlich üble Taktik: den Arbeitsdruck erhöhen und gleichzeitig den Arbeitsplatz in Frage stellen.
Im Bericht des Gesamtbetriebsrates gab es nun eine eindrucksvolle Reaktion darauf. Jede Woche ohne Strategie ist geschäftsschädigend – das war die Mahnung an das Management. Auch das Argument, dass die Zahlen aus England erst im Januar kommen und man dann erst ins Detail gehen könne, wurde von Benjamin Gruschka als Gesamtbetriebsratsvorsitzendem zurückgewiesen. Statt nun auf die konzeptlosen Sparpläne, die das letzte Mal verkündet wurden (Wir haben auf Transformation erzählen berichtet und mit Markus darüber gesprochen), einzugehen, kam etwas sehr Eindrucksvolles. Von der Schmiede über den Druckguss, von der Produktentwicklung bis zum Lager und verschiedenen Admin-Bereichen, vom Werksschutz bis zur Gastronomie: Der Betriebsrat hat seiner Geschäftsführung zum einen im Detail erklärt, warum die 2.900 Arbeitsplätze erfolgsentscheidend sind für die Zukunft der PKW-Produktion in Köln, zum anderen warum nur Ford-Mitarbeitende dort Ford zu Ford werden machen können. Die Botschaft: Es braucht uns, wir sind Ford.
Genau das war uns wichtig heute – dieses Signal. Herr Wassenberg betont, dass Ford als Unternehmen bislang Verluste getragen hat. Wir haben betont, dass mit uns Gewinne erwirtschaftet wurden und dass das in Zukunft auch wieder möglich sein wird – durch unsere Arbeit, unsere Erfahrungen und Kompetenzen. Wir brauchen einen Zukunftsplan und keinen Sozialplan. Wir haben den Laden am Laufen gehalten und wurden aus Managementscheidungen rausgehalten. Und: In der Schmiede, beim Druckguss und beim Werkzeugbau etwa, die nach Wassenbergs Plänen ab 2026 ohne Ford-Logo laufen sollen, haben die Kolleg:innen wie in vielen anderen Bereichen trotz krasser Einschnitte über Jahre Solidarität bewiesen. Diese Identifikation, Hartnäckigkeit und Loyalität im Core Business ist nun auch vom Management gefragt.
Habt Ihr denn als Betriebsrat statt der Streichliste nun einen Masterplan, wenn die Geschäftsführung schon keinen hat?
Natürlich nicht – in die Falle tappen wir nicht. Aber wir haben deutlich gemacht, dass es nicht nur den Erhalt der Arbeitsplätze unter dem Firmendach braucht, sondern auch, dass wir eine autarke, wachsende Produktentwicklung brauchen. Sie muss wachsen, nicht schrumpfen! Wir brauchen eine eigene Elektroplattform, Softwarefeatures und vieles anderes, was Unternehmen wie Tesla oder auch die hoch subventionierte chinesische Konkurrenz längst haben. Wir müssen auch neues Wissen aufbauen, weshalb wir auch auf keinen Fall die Zahl der Auszubildenden auf 40 reduzieren dürfen – eine Zahl, die beschämend für einen verantwortlichen Arbeitgeber dieser Größe wäre. Und wenn wir handlungsfähig und schnell bleiben wollen in Europa, braucht es auch die Ford Customer Service Division Quality! Wir brauchen auch weiterhin unser profitables Lager für Europa mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung. Wir werden es brauchen, wenn wir wieder erfolgreicher Massenhersteller sein wollen. Und das wollen wir.
Beim Lager nun – vor allem bei der Packerei – soll es Stellenabbau geben, wie auch der Werkschutz „outgescourct“ werden soll. Das war ein besonders emotionales Thema – warum?
Alle, die hier schon eine Weile arbeiten, wissen, dass in den beiden Bereichen verstärkt Kolleg:innen eingesetzt werden, die behindert sind, und so genannte „leistungsgewandelte“ Kolleg:innen, die nach Jahren schwerer Arbeit Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit haben. Das ist einer der krassesten Zeichen für den Tiefststand der zwischenmenschlichen Beziehungen in der Sozialpartnerschaft bei Ford Köln.
Entsprechend kräftig waren dann auch die Worte von Seiten der IG Metall. Kerstin Klein hat angesichts des Image- und Vertrauensverlustes ausgerufen: Keine Schonung!
Recht hat sie. Die IG Metall wird alle Möglichkeiten des Arbeitskampfes in voller Härte ausschöpfen. Es ist nun im Advent wie in der Zeit zwischen Juni und November: eine lähmende und angespannte Ruhe im Sturm.